Rechte der Natur

Akteur:innen & Initiativen

 

Rechte der Natur

Akteur:innen & Initiativen

Ein Kultur-Wandel: Kreative Ansätze für Rechte der Natur

von Imke Horstmannshoff

Rechte der Natur bedeuten bzw. erfordern nicht nur einen rechtlichen Paradigmenwechsel, sondern auch einen tiefgreifenden kulturellen Wandel: einen Wandel der menschlichen Relationen zur Mitwelt. Umso vielfältiger ist die Landschaft an künstlerisch-aktivistischen Akteur:innen, die sich der Sache in vielfältigen Formaten annehmen - und das auch in Europa: von Hörspielen und Theaterstücken über Ausstellungen und Publikationen bis hin zu Versammlungen und Workshops.

Ein Theater für das Anthropozän

    In Deutschland und dem deutschsprachigen Raum schafft das Theater des Anthropozän gemeinsam mit dem Berliner RambaZamba-Theater unter Leitung des Regisseurs Frank Raddatz Erfahrungs- und Diskussionsräume für andere Weltbilder und Mensch-Natur-Beziehungen. Mit Theaterstücken wie Anwälte der Natur (kürzlich erschienen im Henschel-Verlag) und wissenschaftlich-künstlerischen Kollaborationen wie beim Kongress der Zukünfte werden Rechte der Natur und die Stellung des Menschen im Anthropozän sichtbar gemacht und Disziplinen-übergreifend diskutiert.

    Dem Theater kommt im Kontext sich wandelnder Rechtssysteme historisch ebenso wie in der Gegenwart eine besondere Rolle zu. So schreibt Frank Raddatz in seinem Text "Die Auferstehung des politischen Theaters -- zu den Rechten der Natur auf der Bühne" (erschienen im Sammelband Rechte für Flüsse, Berge und Wälder, hg. von Matthias Kramm, oekom Verlag):

    "Die Bühne ist inhaltlich mit dem Recht und dessen Geschichtlichkeit verwoben. Aber auch formal, indem sie das Prozesshafte des Rechts und damit seine politische, also verhandelbare Dimension vor Publikum mit ästhetischen Mitteln aushandelt. Wie die Gerichtsverhandlungen dem Gesetz, verleihen die szenischen Vorgänge den Narrationen der Mythen und szenischen Vorlagen Sichtbarkeit."

    Einen solchen Denkansatz verfolgen - von anderer Seite und auf internationaler Ebene - auch die Organisator:innen der International Rights of Nature Tribunals, wenn sie immer wieder dringliche Fälle der Rechte der Natur auf die Bühne ihrer - zwar nicht bindenden, aber potentiell durchaus realistischen - Gerichtsprozesse bringt, und damit performativ 'Präzedenzfälle' für die Rechte der Natur schafft.

    Klangkunst & Audiofeatures

    Ganz andere Arten von Erfahrungsräumen bietet in Deutschland der Rundfunk: Von Interviews über Buchbesprechungen bis hin zu Audiofeatures hat u.a. das Deutschlandradio in den letzten Jahren wiederholt Sendungen zum Thema produziert, die inzwischen auf einer eigenen Überblicksseite zu Rechten der Natur versammelt sind.

    Grundlegend für die Idee der Rechte der Natur ist ein Weltbild, in dem die Natur nicht als 'Gegenspielerin', die es zu besiegen oder als Pool an Ressourcen, die es auszubeuten gilt. Vielmehr ist sie den Menschen eine 'mehr-als-menschliche', lebendige Mitwelt:

    "Sobald wir aufhören, die nicht-menschlichen Wesen für Objekte zu halten, wir ihnen also Zugang gewähren zum Kollektiv in Form neuer, noch nicht festumrissener Entitäten, die zögern, beben, perplex machen, können wir ihnen auch ohne weiteres die Bezeichnung Akteure zugestehen",

    so der französische Soziologe und Philosoph Bruno Latour. Diesen und andere Denker:innen der Rechte der Natur versammelt die deutsche Hörfunkautorin Barbara Eisenmann in ihrem Audiofeature Another Earth, another Globe, invoked by another People, in dem sie die philosophischen Hintergründe der Idee auf beeindruckende Weise vertont.

    Mit akustischen Mitteln lässt sich dieser Mitwelt buchstäblich eine Stimme geben:

    "Was würden die Flüsse der Welt uns sagen, wenn sie mit uns sprechen könnten? Und wie kommunizieren sie untereinander?"

    In der sechsteiligen Hörspielserie Die Konferenz der Flüsse lassen die Autoren Frank Raddatz und Denise Reimann die Flüsse der Welt zur Sprache kommen und über Kultur- sowie Umweltgeschichte und die Frage der Eigenrechte der Natur diskutieren, und schließlich die "aquakulturelle Revolution" ausrufen.

      Embassy of the North Sea

      Ein solcher 'Zusammenfluss' von Gewässern hat in Europa in der Tat stattgefunden: Organisiert von der Global Alliance for Rights of Nature (GARN) versammelte die Confluence of Water im Jahr im Jahr 2023 in der spanischen Provinz Murcia - in der Nähe der spanischen Salzlagune Mar Menor, des ersten natürlichen Rechtssubjekt Europas - die Anliegen mehrerer europäischer Gewässer bzw. ihrer Vertreter:innen. Sie endete am 18. September 2023 unter anderem mit einer Proclamation of European Waters to the people of Europe vor dem europäischen Parlament.

      Beteiligt war daran auch die niederländische Initiative Embassy of the North Sea, die an der Schnittstelle von künstlerischen Ansätzen, diplomatischer Vertretung und publizistischen Beiträgen zu einer Anerkennung der Nordsee und anderer natürlicher Ökosysteme aufruft. Ihr Plan bis 2030: Der Nordsee zuhören, für sie sprechen und diplomatisch für sie verhandeln.

        Weitere Beiträge

        Lokal organisieren Initiativen Veranstaltungsreihen (z.B. im Fall des britischen Flusses Ouse) und Wanderungen (wie die Initiative Osoba Odra) zur Anerkennung von Flüssen, andere arbeiten in Workshops mit moralischen Imaginationen; der britische Nature-Writer und Bestsellerautor Robert MacFarlane hat bereits ein Buch zum Thema angekündigt. Der Natur ihre Rechte zurückzugeben und das damit verbundene Weltbild zu verändern ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe - oder soll es werden.

        Literatur & Links