Einführung

von Imke Horstmannshoff & Barbara Unmüßig

Wir überschreiten längst die planetaren Grenzen: die Klimakatastrophe ist Realität, Ökosysteme und biologische Vielfalt sind nachhaltig zerstört, wir übernutzen die Böden, entwalden und überfischen und in jedem Winkel der Erde finden wir Mikroplastik. All das mit Verheerungen für das Leben und die Gesundheit von Menschen, Pflanzen und Tieren.

Die Klimakatastrophe und der massive Verlust biologischer Vielfalt sind der markanteste Ausdruck von massiv gestörten Mensch-Natur-Verhältnissen in allen Teilen der Welt.

Wir wissen schon lange: Um diesen Herausforderungen zu begegnen, sind tiefgreifende ökonomische, soziale, institutionelle und kulturelle Veränderungen notwendig.

Utopie und Rechtspraxis

‘Rechte der Natur’ verstehen sich als eine von mehreren dieser Veränderungen mit potentiell transformativer Wirkkraft für Mensch-Natur-Verhältnisse. Die Idee, natürliche Einheiten – wie heute schon Menschen, aber auch Organisationen und Unternehmen – als Rechtspersonen anzuerkennen und ihnen damit ‘Eigenrechte’ zuzugestehen, mag absurd oder utopisch erscheinen, hat jedoch in vielen Ländern der Welt schon Eingang in nationale Rechtspraxen gefunden.

Auf diese Weise soll dem bestehenden (und juristisch untermauerten) Machtungleichgewicht zwischen menschlichen-ökonomischen Interessen einerseits und den Bedürfnissen natürlicher Ökosysteme und Einheiten andererseits entgegengewirkt und ein effektiverer Schutz der Umwelt erreicht werden, idealerweise 'zu ihren eigenen Bedingungen'.

Lokale und globale Bewegung

Weltweit setzen sich heute vielfältige Akteur:innen des globalen Südens und Nordens auf lokaler bis transnationaler Ebene für diese Idee ein: von Vertreter:innen indigener Völker über Jurist:innen und Wissenschaftler:innen bis hin zu lokalen Aktivist:innen und – dort, wo Rechte der Natur bereits existieren – inzwischen auch staatliche Institutionen.

Ihre potenziellen ‚Klient:innen‘: Flüsse, Berggipfel oder ganze Ökosysteme, vom ecuadorianischen Nebelwald über den neuseeländischen Whanganui River bis zur ‚natürlichen Mitwelt‘ Bayerns.

Wie lassen sich Rechte der Natur tatsächlich realisieren? Welche grundsätzlichen Fragen stellen sich dabei, und welche Spannungen treten auf? Wo sind die Rechte der Natur heute schon Realität? Wer setzt sich weltweit dafür ein, und was braucht es aktuell für eine fruchtbare Auseinandersetzung mit dieser Idee?