Wir brauchen nichts weniger als eine kosmopolitische Idee von Demokratie und Menschenrechten.

Wir brauchen nichts weniger als eine kosmopolitische Idee von Demokratie und Menschenrechten.

Warum eine Global Assembly? Die Idee

Wie lässt sich die Idee der allgemeinen Menschenrechte, um die schon in den europäischen Revolutionen des 18. und 19. Jahrhunderts gerungen wurde, global denken und verwirklichen? Vom 14. bis 17. Mai 2023 versammeln sich in Frankfurt am Main Aktivist:innen aus aller Welt, um über diese Frage zu verhandeln. Den Anlass dazu bieten die Feierlichkeiten zum 175. Jahrestag der ersten deutschen Nationalversammlung.

Wie lässt sich die Idee der allgemeinen Menschenrechte, um die schon in den europäischen Revolutionen des 18. und 19. Jahrhunderts gerungen wurde, global denken und verwirklichen?

Am 18. Mai 1848 zogen die Mitglieder der ersten deutschen Nationalversammlung in die Frankfurter Paulskirche ein. Bei den offiziellen Feierlichkeiten zum Jubiläum wird dieses Ereignis als Höhepunkt des liberalen Aufbruchs zu demokratischer Partizipation, zu Freiheits- und Grundrechten gewürdigt werden.

In Frankfurt hat sich außerdem ein zivilgesellschaftliches Netzwerk gebildet, das die Jubiläumsfeiern mit einem kritischen Blick von unten begleitet und Fragen nach einer Teilhabe aller, die in der Stadt und im Land leben, stellt. Zu diesem Netzwerk gehört auch der Initiativkreis, der die Global Assembly organisiert. Die Idee dazu ist aus der Überzeugung entstanden, dass wir dem Erbe des demokratischen Aufbruchs von 1848 nur gerecht werden können, wenn wir die nationale Perspektive ins Globale weiten. Wir haben deshalb Menschen aus aller Welt nach Frankfurt eingeladen, um aus der Paulskirche einen „utopischen Raum“ des Nachdenkens und Debattierens zu machen über Wege zu einer von allen Menschen geteilten Welt, in der die Vielfalt der Kulturen, Werte, Lebensweisen und Formen der Selbstorganisation Anerkennung findet.

„Deutschland will Eins sein, ein Reich, regiert vom Willen des Volkes, unter der Mitwirkung aller seiner Gliederungen“, so fasste der liberale Politiker Heinrich von Gagern nach seiner Wahl zum Präsidenten der Nationalversammlung zusammen, was damals für viele noch wie eine Utopie anmuten musste. Tatsächlich gelang den mehreren hundert Männern (Frauen waren nicht dabei) ein für ihre Zeit bedeutender Fortschritt: Sie schrieben eine Verfassung, die das in Dutzende Fürsten- und Herzogtümer, Einzelstaaten und freie Städte zersplitterte Deutschland zu einem einheitlichen Raum des Rechts machen sollte, in dem – wenn auch in beschränktem Maße – Grundrechte und demokratische Teilhabe gewährleistet sein sollten.

Das Gesetzeswerk, verabschiedet im März 1849, scheiterte an den alten Mächten und der Schwäche des erst langsam erstarkenden Bürgertums. Aber es gilt als Meilenstein auf dem Weg zu einer Demokratie, die allen Menschen unabhängig von Herkunft und gesellschaftlichem Stand gleiche Rechte gewährt – zumindest prinzipiell.

Heute stellt uns dieses historische Erbe vor neue Aufgaben: Wir brauchen nichts weniger als eine kosmopolitische Idee von Demokratie und Menschenrechten.

Heute stellt uns dieses historische Erbe vor neue Aufgaben: Wir brauchen nichts weniger als eine kosmopolitische Idee von Demokratie und Menschenrechten. Sie erscheint nicht nur deshalb notwendig, weil Lieferketten und Kapitalströme schon längst nicht mehr Halt machen an nationalen Grenzen. Sondern sie drängt sich verstärkt auch auf in Zeiten, da nationale Machtpolitik und Autoritarismus eine Renaissance erfahren – verbunden mit gewaltsamer Durchsetzung machtgesteuerter und/oder ökonomischer Interessen.

 

Wer wir sind: Der Initiativkreis

Im Initiativkreis für die Global Assembly haben sich vor etwa zwei Jahren Menschen aus dem deutschsprachigen Raum zusammengefunden, die sich in Zivilgesellschaft, Kultur und Wissenschaft engagieren. Getragen wird die Initiative zudem von einem breiten Bündnis politischer Aktivist:innen aus Menschenrechts-, Antirassismus-, Feminismus- und Entwicklungsorganisationen sowie Medien, politischen Stiftungen und Think-Tanks. Manche arbeiten seit Jahrzehnten eng mit Partnerorganisationen im globalen Süden zusammen. Mehr zu den verschiedenen Arbeitsebenen ist hier zu finden. 

Unser gemeinsames Anliegen ist es, den Bogen weit über das Nationale hinaus zu spannen. Wir wollen einen transnationalen Diskussionsprozess gestalten

Unser gemeinsames Anliegen ist es, den Bogen weit über das Nationale hinaus zu spannen. Wir wollen einen transnationalen Diskussionsprozess gestalten, der mit der Versammlung im Mai 2023 beginnt und im Frühjahr 2024 in eine große Global Assembly mündet, bei der wir die Ergebnisse unserer Debatten einer breiteren nationalen und internationalen Öffentlichkeit vermitteln werden.

Uns bewegt die Frage, wie das Ziel der ökonomischen und politischen Partizipation aller sowie die Grund- und Menschenrechte verbindende Grundlagen für die globale Zusammenarbeit werden können. Wie schaffen wir es, den drängenden globalen Herausforderungen zu begegnen, die globalen öffentlichen Güter zu schützen und die planetaren Grenzen zu wahren? Wir gehen zunächst davon aus, dass die Unverbrüchlichkeit und Unteilbarkeit der Menschenrechte einen zentralen Orientierungspunkt darstellen, auch wenn sie in der gegenwärtigen Realität für mächtige Interessen instrumentalisiert werden und oft nur Lippenkenntnisse sind. Wie können sie zu Gestaltungsprinzipien einer nicht-hegemonialen Weltordnung werden? Mit welchen Widerständen haben wir es zu tun, wenn wir an den Menschenrechten festhalten und sie womöglich erweitern wollen, und wie können wir diese Widerstände überwinden?

Aus Erfahrung wissen wir, dass es ohne öffentlichen Druck keine Veränderung gibt. Wie schaffen wir transnationale Öffentlichkeit unter den Bedingungen digitaler Kommunikation? Ziehen wir uns ins Lokale und Nationale zurück, weil wir dort soziale und politische Rechte noch am ehesten verteidigen können? Oder gibt es doch noch Räume für gemeinsames Handeln über Grenzen hinweg?

Bei der ersten Versammlung im Mai 2023 stehen solche Fragen im Zentrum. In der zweiten Versammlung im Frühjahr 2024 liegt der Fokus stärker auf gemeinsamen Prinzipien für Kooperation und transnationale Öffentlichkeiten. Den Organisator:innen ist bewusst, dass der globale Norden eine historische und aktuelle Hauptverantwortung für die Ausbeutung von Menschen und Natur sowie für globale Ungleichheit und Ungerechtigkeit trägt. Dieser Verantwortung kommt er bis heute nicht nach, weder durch eine gerechtere Welthandelsordnung noch durch eine global gerechtere Gesundheitsversorgung oder durch ernsthafte Impulse für eine radikale sozial-ökologische Transformation.

Wenn wir Aktivist:innen aus aller Welt einladen, geschieht das nicht im Glauben, dass wir die richtigen Antworten oder auch nur die richtigen Fragestellungen haben. Wir gehen vielmehr davon aus, dass Fragen nach der Vision von wahrhaft universalen, nicht hegemonialen Werten, Formen und Strukturen gemeinsamen Handelns nur gemeinsam mit denen verhandelt und (bestenfalls) beantwortet werden können, die weltweit auf lokaler, nationaler, regionaler Ebene für ein selbstbestimmtes Leben, für ihre Beteiligung und ihre Rechte sowie für ein Zusammenleben ohne Verfügungsgewalt über andere Geschöpfe kämpfen.

Wir sehen uns nicht als organisierendes Zentrum neuer globaler Vernetzungsbemühungen des Protests. Davon gibt es genug. Aber Räume, um gemeinsam offene Debatten zu führen, sind nicht nur selten, sie werden vor allem politisch immer enger. Dem wollen wir mit unserem Vorhaben entgegenwirken.

Wir sehen uns nicht als organisierendes Zentrum neuer globaler Vernetzungsbemühungen des Protests gegen Neoliberalismus, Neokolonialismus, Rassismus, Sexismus, Autokratie und die Rückkehr des Nationalistischen. Davon gibt es genug. Aber Räume, um gemeinsam offene Debatten zu führen, in denen politisch, strategisch, normativ, aber auch vermittelnd, erzählend, analysierend und suchend drängende Fragen verhandelt werden, sind nicht nur selten, sie werden vor allem politisch immer enger. Dem wollen wir mit unserem Vorhaben entgegenwirken.

 

Die Global Assembly: ein Prozess

Das erste Treffen vom 14. bis 17. Mai 2023 in Frankfurt am Main hat den Charakter einer „Vorversammlung". Etwa 50 Personen, die sich unter anderem im ökonomischen, ökologischen, sozialen oder kulturellen Bereich für Grund- und Menschenrechte engagieren, haben wir dazu eingeladen. Geplant ist eine öffentliche Auftaktveranstaltung in der Paulskirche am 14. Mai und daran anschließend eine Klausurtagung. Bei diesem ersten Treffen wollen wir mit den Teilnehmer:innen Themen und Fragestellungen identifizieren, denen wir dann in einem einjährigen Prozess vertieft und mit besonderer Intensität nachgehen werden. An dessen Ende steht die große Globale Versammlung mit etwa 100 Personen im Frühjahr 2024, wiederum in Frankfurt am Main.

Zwischen den beiden Versammlungen streben wir einen zusätzlichen Austausch in den jeweiligen Weltregionen an, um die Fragen und Themen zu präzisieren und das Spektrum der Teilnehmer:innen zu erweitern. Auch diesen Prozess wollen wir bei der „Vorversammlung" im Mai 2023 miteinander entwickeln: Wie können die dort Versammelten Brückenbauer:innen sein zwischen der Global Assembly und ihren jeweiligen lokalen und regionalen Netzwerken? Wie können sie Impulse von ihren Orten zurücktragen in die große Versammlung 2024?

Das Ende dieses Prozesses ist offen. Es liegt an den Teilnehmenden selbst, welche Ideen, Forderungen und Initiativen sie im Frühjahr 2024 präsentieren werden.

Das Ende dieses Prozesses ist offen. Es liegt an den Teilnehmenden selbst, welche Ideen, Forderungen und Initiativen sie im Frühjahr 2024 präsentieren werden. Ebenso liegt es in ihrer Hand, ob die Global Assembly über 2024 hinaus eine Fortsetzung finden soll.