Rechte der Natur

Akteur:innen & Initiativen

 

Rechte der Natur

Akteur:innen & Initiativen

Die britische Bewegung für Rechte der Natur

von Alex May und Paul Powlesland, Lawyers for Nature UK

Die Bewegung für Rechte der Natur (RdN) wurde in Großbritannien in den letzten Jahren neu belebt.

Bis dato hatte es in den Jahren 2005-2010 eine Reihe von Aktivitäten rund um die UK Environmental Law Association (UKELA) gegeben, mit einigen Konferenzen, einem ausgezeichneten Forschungsbericht, in dem analysiert wurde, inwieweit Wild Law bereits weltweit existiert, und jährlichen Wild Law-Wochenenden (die weiterhin stattfinden!). Dann, vor etwa fünf Jahren, gab es einen weiteren Aufschwung mit einigen Forschungskonferenzen und der ersten lokalen Initiative rund um den Fluss Frome (mehr dazu unten). Abgesehen davon existierten in Großbritannien zwar Einzelpersonen und kleine Organisationen, die sich für die Rechte der Natur einsetzten, doch waren diese Aktivitäten eher singulär und standen meist in Verbindung mit Projekten im Ausland.

Es bleibt zu hoffen, dass diese dritte Welle der Wiederbelebung die stärkste sein wird, und die bisherigen Anzeichen sind positiv. In den letzten Jahren ist die Zahl der Personen, die zu RdN arbeiten, gestiegen, und es wurden immer mehr Verbindungen geknüpft. Ein Workshop im Februar 2023 brachte Expert:innen zusammen - allerdings nur solche, die den Organisator:innen bereits bekannt waren -, und in der Folge wurde ein UK Rights of Nature Network gegründet, dem sich weitere Personen angeschlossen haben. Bisher gab es regelmäßige Zoom-Treffen und einen Whatsapp-Chat mit 25 Mitgliedern, und bald soll eine persönliche Netzwerk-Veranstaltung durchgeführt und eine öffentliche Online-Präsenz eingerichtet werden. Im Laufe des Jahres wurden darüber hinaus eine Handvoll Veranstaltungen von verschiedenen Gruppen organisiert, die größtenteils Teil dieses Netzwerks sind.

Zu den wichtigsten Organisationen, die sich speziell mit RoN befassen, gehören die Anima Mundi Law Initiative, Lawyers for Nature, das Interdisciplinary Network on the Study of the Rights of Nature und die Environmental Law Foundation.

Politischer Kontext

Der breitere politische Kontext ist mit Sicherheit ein Grund dafür, dass sich die Ideen um Rechte der Natur im Vereinigten Königreich noch nicht durchgesetzt haben. Umweltthemen waren im politischen Mainstream-Diskurs bis etwa 2017 relativ abwesend, bis Kampagnen von Extinction Rebellion, Youth Strike [international besser bekannt als Fridays for Future-Bewegung] und eine Green New Deal-Kampagne diese Themen in den Mainstream rückten. Dieser Schwung wurde jedoch durch das Ergebnis der Wahlen von 2019 zunichte gemacht, bei denen die konservative Partei einen überwältigenden Sieg errang und für weitere fünf Jahre ins Amt gehoben wurde.

Die aktuelle politische Situation um Umweltthemen im Vereinigten Königreich sieht düster aus. Abgesehen von den Auswirkungen des Brexit und der Pandemie wurden die öffentlichen Dienstleistungen weiter gekürzt, die Inflation und die Lebenshaltungskosten sind erheblich gestiegen, während sich Löhne und Arbeitsplätze in die andere Richtung bewegen.

Ökologische Belange sind nach wie vor ein wichtiges Thema für die Öffentlichkeit und bei Kommunalwahlen, haben aber in der Politik in Westminster kaum eine Rolle gespielt.

Hier geht es für Aktivist:innen aktuell eher darum, Rückschritte beim Umweltschutz, die durch den Brexit ermöglicht wurden, zu verhindern. Zwar wird allgemein davon ausgegangen, dass die Labour-Partei von Keir Starmer die nächsten Wahlen gewinnen wird, doch sein tatsächliches Commitment und seine Ambitionen in Bezug auf die Bewältigung ökologischer Krisen – ganz zu schweigen von einem visionären Ansatz wie den Rechten der Natur – ist ungewiss.

Initiativen für die Rechte der Natur

Große Umwelt-NGOs im Vereinigten Königreich haben die Idee von RdN noch nicht in nennenswertem Umfang aufgegriffen, auch wenn einige von ihnen sich der Idee durchaus bewusst sind. Mit ein paar Ausnahmen sind fast alle expliziten RdN-Initiativen auf lokaler Ebene angesiedelt. Positiv ist, dass es im ganzen Land eine Reihe solcher Initiativen gibt.

Die größte Ausnahme ist eine nationale Initiative, die sich aktuell noch in einem frühen Stadium befindet: Die Arbeit an einem Gesetzentwurf über die Rechte der Natur im Vereinigten Königreich. Nachdem sich Mitglieder der Green Party dafür eingesetzt haben, dass RdN als Parteipolitik akzeptiert werden, hat ein Team mit der Ausarbeitung begonnen und versucht derzeit, die Vielzahl der Möglichkeiten in einen brauchbaren Entwurf zu verwandeln. Neben der Ausarbeitung eines gesetzlichen Rahmens ist es auch möglich, dass ein bestimmtes Ökosystem oder Gewässer beschließt, eine Kampagne für seinen rechtlichen Schutz zu starten, ähnlich wie in Fall der Initiative um die spanische Lagune Mar Menor. Keine dieser Kampagnen hat große Chancen auf Erfolg, da die Green Party nur eine kleine Anzahl von Abgeordneten im Parlament hat; die Thematik müsste entweder von der nächsten Regierung oder von einer großen parteiübergreifenden Koalition übernommen werden.

Eine große öffentliche Kampagne wäre wohl notwendig – Rechte der Natur wären genau die Art von Idee, die inspirieren und mobilisieren kann.

Es ist sicherlich eine verpasste Gelegenheit, dass die jüngsten Umweltschutzkampagnen in Großbritannien die Idee von RdN nicht aufgegriffen haben. Extinction Rebellion und ähnliche Gruppen haben dies ebenso verpasst wie Aktionen zur Verhinderung von Fracking oder zum Schutz alter Wälder vor Zerstörung (wie die Kampagne Stop HS2).

Insbesondere im Kontext von Gemeinden, die ihre lokalen Flüsse schützen wollen, haben sich Graswurzel-Initiativen geformt, diese sind auf nationaler Ebene aber derzeit nur lose koordiniert. Im Jahr 2021 verabschiedeten der Derry City and Strabane District Council und der Fermanagh and Omagh District Council jeweils Anträge, um gemeinsam mit Zivilgesellschaft und lokalen Communities zu erarbeiten, was RdN in der Praxis bedeuten könnte und wie das Konzept in Gemeinde- und Unternehmensplänen, Entwicklungszielen und anderen strategischen Rahmenwerken zum Ausdruck kommen könnte. [In Irland hat der County Council von Donegal einen ähnlichen Antrag verabschiedet - ebenso erwähnt werden sollte hier, dass im April 2023 die irische Citizens’ Assembly on Biodiversity Loss eine klare Empfehlung für Rechte der Natur als Bestandteil der Verfassung ausgesprochen hat.]

In England wurde ein ähnlicher Ansatz in Bezug auf den Fluss Ouse verfolgt, wobei der Council von Lewes einen Beschluss verabschiedete, ein Konzept für die Rechte von Flüssen auszuarbeiten sowie konkret eine Erklärung der Rechte des Flusses Ouse zu erstellen, die der Stadtrat unterstützen könnte. Dies signalisiert eine Absicht und einen Prozess, der in Angriff genommen werden soll, aber politische oder rechtliche Auswirkungen können erst nach genaueren Ausarbeitungen sichtbar werden.

Diese Initiativen lokaler Councils stehen im Schatten einer gescheiterten Initiative für den Fluss Frome im Jahr 2018. Councils haben im Rahmen der nationalen Rechtsstruktur nur begrenzte Befugnisse; sie können zwar "By-laws" erlassen (lokale Verordnungen, die sich mit lokalen Fragen befassen), doch müssen diese von der nationalen Regierung genehmigt werden. Das Frome-By-Law wurde von der nationalen Regierung mit der Begründung abgelehnt, dass dieses Gesetz gegenüber dem bestehenden Umweltschutz eine Dopplung darstellt. Dabei wurde übersehen, dass die bestehenden Schutzmaßnahmen unzureichend sind und ihre Wirkung regelmäßig verfehlen – und diese Situation hat sich seitdem nur noch verschlechtert. Möglicherweise lag die Verordnung aber auch schlicht außerhalb der Zuständigkeit des Town Councils. Mit den jüngsten Initiativen wird daher ein Ansatz entwickelt, der in die Zuständigkeit des Councils fällt und sich auf interne Pläne und Erklärungen konzentriert. Ob dazu auch By-Laws gehören – oder ob eine künftige Regierung für solche RdN-Verordnungen empfänglich sein wird – bleibt abzuwarten.

Viele RdN-Aktivist:innen haben sich angesichts der rechtlichen und politischen Lage für alternative, direkte Ansätze entschieden. Einige lokale Naturschützer:innen arbeiten mit dem Konzept der Vormundschaft für bestimmte Teile der Natur wie Bäume, Flüsse und Wälder.

Dazu gehört oft eine Erklärung der Rechte des Flusses, die zwar keine rechtliche Bindung hat, aber auf politischer, kultureller und spiritueller Ebene sehr wirksam sein kann. Was dies in der Praxis bedeutet, ist je nach rechtlichem und ökonomischem Kontext unterschiedlich, und kann direkte praktische Maßnahmen ebenso umfassen (wie z.B. die Überwachung der Wasserqualität oder die Beseitigung von Müll aus einem Fluss) wie rechtliche Anfechtungen unter Anwendung bestehender Gesetze und Aktivismus gegen Einzelpersonen oder Unternehmen, die diesem Teil der Natur schaden. Solche "Rechte der Natur in Aktion" werden allmählich von vielen "Friends of"-Gruppen im Vereinigten Königreich umgesetzt. Bemerkenswerte Beispiele sind die Flüsse Roding, Dart, Don, Deben und Cam.

Ein weiterer solcher Ansatz – Nature-Positive Corporate Governance – wurde von Lawyers for Nature erprobt. Dabei wurde mit sinnorientierten Unternehmen zusammengearbeitet, die im Rahmen des flexiblen britischen Unternehmensrechts RdN durch Vertreter:innen bei der Entscheidungsfindung einführen wollen. Letztes Jahr hat das Kosmetikunternehmen Faith In Nature als Weltpremiere eine Vertretung der Natur in seinen Vorstand berufen. Erst vor wenigen Wochen hat das Interior Design-Unternehmen House of Hackneyeinen ähnlichen Ansatz verfolgt. Lawyers For Nature möchte diesen Ansatz mit Organisationen des Dienstleistungssektors und öffentlichen Einrichtungen wie Wohlfahrtsverbänden und Nichtregierungsorganisationen im Vereinigten Königreich ebenso wie im Ausland ausbauen. Zu weiteren Interventionen auf kultureller Ebene gehören die Förderung der Imaginationskraft in Organisationen unter Einbezug der mehr-als-menschlichen Welt, wie sie beispielsweise Moral Imaginations anleitet, und ein demnächst erscheinendes Buch über die Rechte der Flüsse von Bestsellerautor Robert MacFarlane.

    Aus dem Englischen übersetzt von Imke Horstmannshoff.

    Links & Literatur