Die Global Assembly ist abgesagt. Warum?

Der Initiativkreis der Global Assembly für Menschenrechte, Demokratie und globale Gerechtigkeit hat nach ausführlicher Abwägung schweren Herzens beschlossen, das für den 14. bis 18. März in Frankfurt geplante Treffen von etwa 60 Aktivist:innen aus aller Welt abzusagen. Auch die öffentlichen Veranstaltungen, die die Versammlung begleiten sollten, finden nicht statt. Der Initiativkreis begründet die Absage wie folgt:

Die Global Assembly war von Anfang an als ein geschützter Raum für den freien Meinungsaustausch unter den Teilnehmenden gedacht, die sich – mehrheitlich im globalen Süden – gegen Autoritarismus, Umweltzerstörung, soziale Ungerechtigkeit, Gewalt sowie jede Form der Diskriminierung engagieren und in ihren Ländern häufig von schweren Repressionen bedroht oder bereits betroffen sind.

Schon seit Längerem erleben wir in der politischen und medialen Debatte in Deutschland Versuche, postkoloniale Perspektiven aus der öffentlichen Diskussion zu verdrängen. Praktisch jeder Versuch, den Verbrechen der ehemaligen Kolonialmächte einen angemessenen Platz in der Erinnerungskultur und im Diskurs über Menschenrechte zu verschaffen, wird als Relativierung des singulären deutschen Verbrechens, der Shoah, gebrandmarkt und unter Antisemitismus-Verdacht gestellt, auch dann, wenn nicht in Frage gestellt wird, dass die Shoah ein Menschheitsverbrechen von besonderem Rang ist. Gerade deshalb haben wir lange an einer Versammlung festgehalten, die intern und in der Öffentlichkeit den freien Austausch unterschiedlicher, menschenrechtsbasierter Sichtweisen in globaler Perspektive ermöglicht hätte. Genau dies ist den Teilnehmenden bei der „Vorversammlung“ im Mai 2023 in beeindruckender Weise gelungen.

Seit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 und den zerstörerischen Gegenschlägen Israels hat sich die Situation in Deutschland nochmals erheblich verschärft. Kritiker:innen von Israels Reaktion auf den Terrorangriff der Hamas oder Organisationen, die solchen Kritiker:innen das Wort nicht verbieten wollen, werden mit Vorwürfen überzogen sowie mit administrativen Maßnahmen und dem Ausschluss von öffentlicher Finanzierung bedroht. Dabei wird der Vorwurf des Antisemitismus beziehungsweise des „Israel-Hasses“ auch genutzt, um Äußerungen zu delegitimieren und damit indirekt zu zensieren, die zwar politisch umstritten sein mögen, etwa weil sie den Terror der Hamas nicht ausdrücklich erwähnen, die aber mit Forderungen nach Vernichtung Israels oder antijüdischem Ressentiment nichts zu tun haben und deshalb der Meinungsfreiheit unterliegen und im offenen Austausch unterschiedlicher politischer Positionen diskutiert werden müssten. Durch eine solche Trivialisierung und Instrumentalisierung des Antisemitismusbegriffs wird zudem der tatsächliche Hass auf Jüdinnen und Juden und die Gewalt, die ihnen widerfährt, in nicht hinnehmbarer Weise relativiert.

Die Organisator:innen und Träger:innen der Global Assembly haben bis zuletzt daran festgehalten, dieser Diskursverengung eine Gelegenheit zum offenen Austausch auch kontroverser Perspektiven auf die Lage von Völkerrecht, Demokratie und Menschenrechten in Zeiten von zunehmendem Autoritarismus und einer in vielfacher Hinsicht zerstörerischen ökonomischen Globalisierung entgegenzusetzen. Geleitet wurden wir dabei von einigen selbstverständlichen Grundsätzen, die wir wie folgt formulierten:

„Wir gehen davon aus, dass die Unantastbarkeit der Menschenwürde, die Universalität der Menschenrechte sowie demokratische Teilhabe für alle Menschen für uns alle die zentralen Bezugspunkte sind. Diesen Anspruch vertreten wir gegenüber allen, die ihn verletzen, unabhängig davon, ob sie mit dem Recht eines Staates auf Verteidigung oder dem Recht nichtstaatlicher Akteure auf Widerstand begründet werden.“

In der beschriebenen, zugespitzten Lage in Deutschland sehen wir nun keine Möglichkeit mehr, die Debatte im Respekt vor der Universalität der Menschenrechte, aber eben auch mit der notwendigen Offenheit für abweichende und aus deutscher Sicht womöglich provozierende Positionen zu führen. Wir teilen die Befürchtung von Teilen der die Versammlung tragenden Organisationen, dass versucht werden könnte,die Arbeit der einladenden Hilfsorganisationen und politischen Stiftungen sowie ihrer Partnerorganisationen im globalen Süden zu behindern. 

Der Initiativkreis der Global Assembly beobachtet mit wachsender Sorge die zunehmende Verhinderung eines offenen, kritischen, aber von Respekt und Wertschätzung für Andersdenkende geprägten Diskurses. Unsere Absage ist eine traurige Konsequenz aus dieser Entwicklung. Wir werden damit der Verantwortung gerecht, die Möglichkeiten für eine wirksame globale Menschenrechtsarbeit nicht zu gefährden, doch wir vollziehen diesen Schritt mit Trauer und starkem Unbehagen, insbesondere gegenüber den Teilnehmer:innen – Aktivist:innen, die in ihren Ländern mutig für Menschenrechte und freie politische Willensbildung kämpfen. Wir müssen uns eingestehen, dass der kommunikative Schutz- und Freiraum für solche Diskurse, wie ihn die Global Assembly bieten wollte, derzeit nicht gegeben ist. Mit den Teilnehmenden sind wir im Gespräch, wie wir die bereits bearbeiteten Themen der Global Assembly – ökologisch-soziale Krise, Autoritarismus und Demokratie, globale (Un-)Gerechtigkeit, Flucht und Staatenlosigkeit, Gendergerechtigkeit – in anderer Form öffentlich weiter diskutieren können. Wir werden nicht nachlassen in dem Bemühen, kritischen Stimmen gegen alle Versuche der Diskursverengung Gehör zu verschaffen.

 

Berlin/Frankfurt am Main, 4.3.2024
Der Initiativkreis der Global Assembly für Menschenrechte, Demokratie und globale Gerechtigkeit